Unsere Geschichte

Auszug aus „Die Elektrizitätsversorgung in Gochsheim” von Ludwig Fink, technischer Betriebsleiter A.D.

Die Ära Jakob Panzer

Im Jahre 1923 wurde zwischen dem städtischen Elektrizitätswerk Schweinfurt und der Gemeinde Gochsheim der erste Stromlieferungsvertrag abgeschlossen. Die Originalausfertigung dieses Vertrages ist noch vorhanden und im Gemeindearchiv abgelegt. Dies war aber nicht der Beginn der Elektrifizierung in Gochsheim, denn bereits im Jahre 1905 wurde hier eine Anlage zur Erzeugung elektrischer Energie errichtet und in Betrieb genommen.

Um die Jahrhundertwende erwarb der Ortsbürger Herr Jakob Panzer die im Jahre 1886 am Ortsausgang Richtung Schweinfurt errichtete Dampfmühle. Auf diesem Grundstück an der Schweinfurter Straße steht heute die von Heinrich Panzer errichtete moderne Shell-Tankstelle. Vermutlich hat der technisch begabte Jakob Panzer schon beim Erwerb der Mühle mit dem Gedanken gespielt, den erzeugten Dampf neben dem Betrieb der Getreidemühle auch zum Antrieb eines Stromgenerators zu nutzen. Nachdem die Gemeinde im Jahre 1905 ihre Einwilligung zur Errichtung eines Elektrizitätswerkes gegeben hatte, wurde von der Firma Schuckert Nürnberg in der Panzersmühle eine Gleichstromanlage zur Erzeugung elektrischer Energie errichtet.

Anfangs wurde der Generator von einer Dampfmaschine angetrieben. Noch vor dem ersten Weltkrieg wurde die Antriebsanlage umgestellt. Zwei Sauggas-Motoren der Firma DeutzKöln mit einer Gesamtleistung von ca. 100 PS übernahmen fortan den Antrieb des Stromgenerators und der Getreidemühlen. Ein Schwungrad mit einem Durchmesser von ca. 5 m, welches mittels eines 40 cm breiten Treibriemens von den Motoren angetrieben wurde, sorgte für einen gleichmäßigen Lauf des Generators. Das als Brennstoff erforderliche Gas wurde durch Kohlevergasung in einem Gasgenerator (Kessel) gewonnen. Benötigt wurde hierfür gasreiche Steinkohle aus den Saar-Gruben. Diese Umstellung wurde wahrscheinlich aus wirtschaftlichen Erwägungen vorgenommen.

Im Verbund mit einer Akkumulatorenanlage wurde die erzeugte Energie über ein zum größten Teil in Mastbauweise errichtetes Freileitungsnetz an die anschlusswilligen Verbraucher abgegeben. Auch die erste Straßenbeleuchtung in Gochsheim wurde damals von Jakob Panzer errichtet und betrieben.

Auf einer anlässlich seines zehnjährigen Bestehens im Jahre 1908 erstellten Gedenktafel des ehemaligen Fahrradvereins Gochsheim, ist im oberen Bereich ein Panoramafoto von der damaligen Schweinfurter Straße eingearbeitet. Auf diesem Foto, vermutlich von der Panzersmühle aus aufgenommen, ist im Vordergrund das ehemalige Fachwerkhaus des Peter Seifert zu erkennen und im Hintergrund die Einfahrt zur Bernhardtstraße. Auf der linken Straßenseite sind die Holzmasten mit den Telefonleitungen zu sehen und auf der rechten Seite erkennt man deutlich die Holzmasten der ins Dorf führenden Gleichstromfreileitung.

Das Elektrizitätswerk wurde seinerzeit von einer Interessengemeinschaft finanziert. Initiator und Betriebsleiter dieses Unternehmens war der Ortsbürger Jakob Panzer, der somit als Pionier der Gochsheimer Elektrizitätsversorgung anzusehen ist. Der elektrische Strom wurde damals wohl ausschließlich für Beleuchtungszwecke verwendet. Als Lichtquelle diente noch die älteste Form der Glühlampe, die sogenannte Kohlenfadenlampe.

„Aller Anfang ist schwer”: Vermutlich gingen die Bürger nur zögernd von ihren vertrauten und vor allem billigen „Petroleumfunzeln” ab, um auf diese technische Neuerung umzusteigen. Dies beweist die Tatsache, dass anfangs der Dreißigerjahre im katholischen Pfarrhaus in der Schweinfurter Straße Nr. 235, in dem ich aufgewachsen bin, das Treppenhaus noch mit einer Petroleumlampe beleuchtet wurde. Das war immerhin ein Jahrzehnt nach der Ära Jakob Panzer.

Von Herrn Panzer war vermutlich eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten und manches Entgegenkommen bei den erforderlichen Installationsarbeiten war wohl nötig, um eine ausreichende Anzahl Kunden zu werben. Obwohl die Elektrizität damals Neuland war, hatten einige Schlauberger mitbekommen, dass bei Verwendung einer möglichst schwachen Glühlampe, die später eingebauten Elektrolytzähler nicht in Gang kamen.

So waren die Einnahmen aus dem Stromgeschäft vermutlich nicht ausreichend, um die getätigten Investitionen auszugleichen, geschweige denn, einen Gewinn zu erzielen. Die Rechnung der Geldgeber ging wohl nicht auf, denn sie zogen sich nach einigen Jahren aus dem Geschäft zurück. Notgedrungen übernahm Jakob Panzer 1908 die gesamte Anlage in eigener Regie.

In den Jahren 1914 bis 1917 wurde Jakob Panzer zum Kriegsdienst eingezogen. Dies war für sein junges Unternehmen wahrlich nicht förderlich und erregte berechtigterweise seinen Unmut. Vermutlich waren deshalb im Jahre 1914 Bestrebungen im Gange, die Stromversorgung von Gochsheim, dem Elektrizitätswerk Schweinfurt oder der Überlandzentrale Lülsfeld anzubieten.

Nach dem ersten Weltkrieg war der Brennstoff Kohle Mangelware; man hatte wahrscheinlich des Öfteren Schwierigkeiten, die benötigte Menge Kohle für den Betrieb der Anlage herbeizuschaffen. Auch stand in der Nachkriegszeit die gasreiche Saarkohle nicht mehr zur Verfügung. In dem von den Franzosen besetzten Saarland wurde die Ausfuhr der Steinkohle gesperrt. Die Verwendung von Steinkohle aus anderen Revieren wirkte sich zwangsläufig negativ auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage aus.

Hinzu kam dann auch noch die Inflation, nach dem ersten Weltkrieg, welche im Jahre 1923 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Herr Panzer war letzten Endes finanziell nicht mehr in der Lage, das Netz zu erhalten und dem technischen Fortschritt anzupassen. Er verkaufte das Versorgungsnetz notgedrungen an die Gemeinde. Mit diesem Schritt legte er den Grundstein für das EVU Gochsheim.

Es war wohl eine der schwersten Stunden seines Lebens, in der er diesen Schritt gehen musste. In Gesprächen mit ihm merkte man immer wieder, wie traurig und verbittert er über den Verlust seines Lebenswerkes war und wie sehr er seinem E-Werk nachgetrauert hat.

Seine Vorliebe für die Elektrizität endete nach dem Verlust seines E-Werkes keinesfalls. Ein neues Betätigungsfeld tat sich nach dem Einzug von Elektroantrieben auf, so manche durchgebrannte Motorwicklung wurde von ihm in mühseliger Handarbeit erneuert. Während des zweiten Weltkrieges wurden viele bei Luftangriffen ausgebrannte Elektromotoren von ihm wieder instandgesetzt.

Herr Panzer betätigte sich auch als Brunnenbohrer. Auf diesem Gebiet war er nicht nur in Gochsheim, sondern auch weit außerhalb des Gemeindebereiches tätig.

Er scheute es nicht, mit seiner Bohranlage bis nach Thüringen zu ziehen, um auch dort Bohrlöcher in die Erde zu treiben. Hierbei wurde er hauptsächlich von seinem Sohn Richard unterstützt, der leider im zweiten Weltkrieg gefallen ist.

Auch sein Sohn Wilhelm Panzer war im Elektrohandwerk tätig und gründete im Jahre 1932 den heute noch bestehenden und seit 1954 von Heinz Panzer und dessen Ehefrau geführten Elektroinstallationsbetrieb in der Grettstadter Straße. Von 1945 bis zu seinem plötzlichen Tode im Jahre 1954 war Wilhelm Panzer ehrenamtlicher Bürgermeister von Gochsheim.

Sein Sohn Karl Panzer studierte Elektrotechnik an der TUmMünchen und war seit 1949 als Elektroingenieur bei Siemens tätig. Im Jahre 1953 wechselte er zu den Stadtwerken Würzburg, hier wurde er mit dem Bau und anschließend als Betriebsdirektor mit der technischen Leitung des Heizkraftwerkes betraut.

Sein Sohn Heinrich Panzer, von Beruf Automechanikermeister, war Besitzer einer Reparaturwerkstatt für Kraftfahrzeuge und Fahrräder sowie Betreiber der Shell-Tankstelle in Gochsheim. Diese wurde nach dem Abriss der Panzersmühle im Jahre 1983 großzügig erneuert und wird seitdem von dessen Sohn Oskar Panzer betrieben.

Im Jahre 1974 verstarb Jakob Panzer im gesegneten Alter von 96 Jahren. Mit ihm ging ein Mann der Neuland betreten hatte, der nicht aus den Fehlern anderer lernen konnte, er musste sie erst selber machen, um daraus zu lernen.

Nebenbei sei noch erwähnt, dass dieses stattliche Gebäude der Panzersmühle aus drei Etagen bestand, welche seinerzeit schon mit einem Lastenaufzug mit Handkurbelantrieb verbunden waren. Der südliche Teil des Gebäudes wurde für Wohnzwecke genutzt. Später nahm in den Betriebsräumen die Firma Deifel aus Schweinfurt eine Farbmühle in Betrieb. Die dort beschäftigten Arbeiter waren immer von oben bis unten mit Farbstaub bedeckt, deshalb wurden sie ortsüblich die „Farbteufel“ genannt. Nach dem zweiten Weltkrieg übernahm die Firma Stockert aus Schweinfurt die Betriebsräume und nahm dort die Produktion von Holzparkett auf. Anschließend bis zum Abriss im Jahre 1983 wurden die Räumlichkeiten zu Lagerzwecken genutzt.